SV Wacker I im Standby-Modus – Unser großes Interview in der Krise
Wacker-Trainer Aytac Uzunoglu
„ Der Erfolg beim Fußball hängt stark vom Kopf ab. Du musst daran glauben, dass du der Beste bist und dann dafür sorgen, dass es wirklich so ist.“
Wir zitieren aus dem Trainingsprogramm, das Wacker-Coach Aytac Uzunoglu für sein Landesliga-Team zusammengestellt hat. Und das hat es in sich. Vier Bereiche zeichnen dabei jede Trainingseinheit aus: Ausdauerläufe, Intensives Intervalltraining, Kräftigungsübungen und Dehnübungen.
Auf 16 Seiten haben die Spieler damit eine verbindliche Topanleitung, um für den Tag X gerüstet zu sein. Jeder ist zurzeit somit auch sein eigener Coach mit individuellen Varianten. Wenn man, wie zuletzt, Robin Franke auf seinem Mountainbike und im Wacker-Outfit durch die Castroper Altstadt flitzen sieht, mag man von der Umsetzung überzeugt sein.
Den Tag X haben unsere Spieler alle im Kopf. Nur weiß keiner, wann er kommt und schon gar nicht, in welcher Variante. Wie auch immer, das Quantum mehr an Qualität als alle Gegner in der Landesliga 3 wollen sie alle haben, wenn es zum Show-Down kommt. Anders als beim Poker ist das kein Glücksspiel, sondern harte Arbeit und Überzeugungskraft für das entscheidende Momentum.
Wir haben unser Team gefragt, wie das im Zeichen der Krise gehen kann.
1. Wie haltet ihr euch in der trainingsfreien Zeit fit?
Ein echter „Eisenbieger“ ist Stürmer Martin Kapitza: „Zuhause mache ich mich mit meiner Hantelstange fit.“ Für Ausgewogenheit im Sinne der Vorgaben des Trainers sorgt er, indem er tägliche Läufe absolviert und die vorgegebenen Übungen ausführt. Für den Tag X braucht man sich bei Martin ansonsten keine Sorgen machen. Er geht immer rasant von 0 auf 100!
Torwart David Scholka hat einen „Heimvorteil“ am Arbeitsplatz: „Ich halte mich in der Sporthalle auf der Arbeit fit.“ Das Trainerteam wird´s freuen. David verlagert darüber hinaus Teile des Trainings in häusliche Gefilde und stärkt die Familienbande: „ Ich gehe mit Frau und Hund joggen. Würde aber viel lieber wieder was mit dem Ball machen.“ Wie wahr! Oder um es mit Martin Kapitza auf den Punkt zu bringen: „Der Fußball fehlt!“
Abwehrspezialist Dirk Jasmund nutzt die Vorteile seiner Heimatstadt: „Da Marl ja etwas ländlich gelegen ist, habe ich hier einige Möglichkeiten mich läuferisch zu bewegen, was ich bei der Frühlingssonne momentan auch total ausnutze.“
Abwehrkollege Marius Nolte feilt an seinem Trainingsplan und erweitert die Vorgaben seines Trainers: “Ich versuche die (Intervall-) Läufe zu absolvieren und habe mir persönlich eine 90-Tage-Challenge gesetzt. Die Inhalte daraus entnehme ich einem Fitnessbuch, in dem es für jeden Tag eine Aufgabe gibt. Dies sind sowohl Workouts als auch Lifestyle-Challenges, zum Beispiel der Fokus auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Die Workouts bestehen alle aus Übungen mit dem eigenen Körpergewicht und lassen sich so super einfach zu Hause umsetzen.“
Defensivmann Marius Hoffmann hält sich ebenfalls an die Vorgaben: „Die trainingsfreie Zeit verbringe ich aktuell mit Intervall- und Ausdauerläufen. Hinzu kommen 3-4 Mal die Woche Kraftübungen.“
„6er“ Christian Mengert pflichtet bei und schwört auf die Möglichkeiten per Stream: „Ich gehe fast jeden Tag laufen. Bei dem aktuell schönen Wetter fällt einem das leichter. Außerdem nutze ich zur Kräftigung und Mobilisation die mittlerweile zahlreichen Tabata-Fitness-Workouts, welche auf YouTube verfügbar sind.“
Nico Brehm, ansonsten für die „Außenpolitik“ auf dem Feld zuständig, findet man in der fußballfreien Zeit meist auf seinem Mountainbike. „Ich fahre dann entweder in die Haard oder zum Stimberg nach Erkenschwick. Oder man trifft mich im Erin-Park beim Joggen.“ Den hat er ja direkt vor der Haustür und ergänzt: „Irgendwie muss man sich ja weiterhin fit halten.“ Recht hat er und weiß warum.
Kapitän Moritz Budde entdeckt ebenfalls ungeahnte häusliche Möglichkeiten: „In der Pause halte ich mich mit Laufen fit, bin auch viel mit dem Fahrrad unterwegs. Außerdem mache ich jetzt auch Body-Workouts. Von meiner Frau habe ich mich, man glaubt es kaum, auch schon zum Joga hinreißen lassen.“ Die Erkenntnis: „Das ist gar nicht so schlecht, wie man denkt!“
2. Wie geht ihr persönlich mit der Ausnahmesituation um?
„Ich denke, wir vermissen alle den Sportplatz und die Menschen drumherum“, meint Nico Brehm und hat dabei das „Social distancing“ im Kopf. „Anders herum tut den Menschen die Entschleunigung sicher gut. Man konzentriert sich auf die wichtigen Dinge im Leben und lernt diese wertzuschätzen.“
Dirk Jasmund pflichtet bei und betont den Wert übergeordneter Vorgaben: „Ich denke, es ist für jeden Menschen eine Ausnahmesituation. Der Sport steht momentan still. Einkaufszentren sind geschlossen. Ich halte mich an die Vorgaben der Regierung und hoffe, dass bald Besserung in Sicht ist.“
Auch Marius Hoffmann fokussiert sich auf gesellschaftliche Notwendigkeiten: „Privat achte ich natürlich darauf, Menschen, die ich der gefährdeten Gruppe zuordnen würde, bestmöglich aus dem Weg zu gehen. Da sich ein Virus auch ohne Symptome im Körper ausbreiten kann, ist immer eine Ansteckungsgefahr gegeben.“
Marius versucht trotz der Ausnahmesituation Normalität herzustellen: „Ansonsten habe ich weiterhin einen weitestgehend gewöhnlichen Alltag. Home-Office war in meinem Beruf zuvor schon umgesetzt. Aktuell bleibe ich nur häufiger zu Hause als zuvor. Ab heute kann die Renovierung meiner neuen Eigentumswohnung beginnen, sodass genug Ablenkung und Beschäftigung vorhanden ist.“ Dabei wünschen wir gutes Gelingen!
Marius Hoffmann bleibt aber auch Realist und appelliert an gemeinsame Weitsicht und Geduld: „Ich glaube, solange es noch keinen Impfstoff oder eine weitreichende Immunität gibt, werden viele Menschen vorsichtiger sein. Sobald es aber geeignete Maßnahmen gegen das Virus gibt, werden wir wieder Normalität erlangen. In der aktuellen Lage halte ich auch wenig davon, wenn ich Schlagzeilen wie „Es wird nichts mehr so wie zuvor sein“ oder „Wir haben Krieg“ lese. Die Normalität wird irgendwann wieder einkehren und bis dahin heißt es Geduld zu haben.“
Namensvetter Marius Nolte wird kreativ und wagt bereits den Blick „auf den Platz“: „Ich bin noch recht optimistisch und positiv. Ich vermisse zwar die regelmäßigen Besuche bei der Familie, aber wir werden dann eben kreativ. Letztens haben wir alle per Videokonferenz zusammen zu Abend gegessen. Ich bin aber auch froh, wenn wieder Normalität einkehrt und wir uns auf dem Fußballplatz wiedersehen!“
Ähnlich formuliert es Christian Mengert, der Bochumer und angehende Gymnasiallehrer: „Ich versuche einen Mix aus Aktivität und Erholung zu leben. Das bedeutet, dass es Tage gibt, an denen ich bewusst nichts mache bzw. auf der Couch liege und sehr viel lese, auch zur Vorbereitung für das bevorstehende Referendariat. Andererseits, diese sind mehrheitlich vertreten, gibt es Tage, an denen ich zweimal am Tag Sport mache oder eben an der frischen Luft bin. Ich merke jedoch, dass mir der Fußball, die Gemeinschaft und das gemeinsame Trainieren fehlen.“
David Scholka stellt globale Zusammenhänge her: „Das ist natürlich eine Ausnahmesituation auf der ganzen Welt, die jeden einzelnen betrifft und zeigt, dass jeder Mensch auch irgendwie den gleichen Wert hat. Nicht zu vergessen ist dahingehend trotzdem der zum Glück gelöschte Brand in Australien oder das nicht zu vergessene Hungerleiden auf der ganzen Welt. Diese Krise tritt halt momentan in den Vordergrund. Man versucht so gut es geht, die Auflagen des Bundes einzuhalten. Man „trifft“ sich nur noch über Skype.“
3. Was erwartet ihr vom sportlichen Wiederbeginn? Wird etwas anders sein als vorher?
„Ich glaube, dass die Mannschaft, die am diszipliniertesten durch diese Pause gegangen ist und sich am besten fit gehalten hat, am stärksten auftreten kann. So wie ich das mitbekomme sind die Jungs auch alle fleißig.“ Marius Nolte bringt es auf den Punkt und schließt den Kreis zum Eingangszitat.
Dirk Jasmund betont die Wacker-Stärken in einer Top-Saison: „Wenn man die Bilder in den WhatsApp-Gruppen so sieht, Hut ab! Ich glaube, dass unsere Jungs fit sind und darauf brennen, dass es wieder los geht. Ich persönlich würde es super finden, wenn der Verband eine Regelung finden würde, dass die Saison zu Ende gespielt wird und wir sportlich die Möglichkeit haben werden, nochmals unter Beweis zu stellen, dass uns niemand in der Liga aufhalten wird.“
Marius Hoffmann sieht´s eher nüchtern: „Ich bin für einen Saisonabbruch. Verschiebt sich die Saison um mehrere Wochen, wird die nächste Saison ebenfalls betroffen sein und später anfangen. Da wir im Amateursport zum großen Teil berufstätig sind, ist eine Abwicklung von vielen englischen Wochen am Stück eine hohe Belastung. Vor allem, wenn es zu Auswärtsspielen mit weiteren Fahrten kommt.“
Marius hat aber auch den richtigen Biss und guckt auf den Rivalen in Dortmund: „Sollte die Saison dennoch zu einem späten Zeitpunkt wieder starten, haben wir aus meiner Sicht immer noch die besten Karten, Meister zu werden. Die Qualität unserer Kaderbreite hat auch Bövinghausen in dieser Saison noch nicht.“
Nico Brehm möchte eigentlich sofort wieder loslegen, ist aber pessimistisch, was den Fortlauf der Saison betrifft: „Mir fehlt der Fußball und die Jungs viermal in der Woche zu sehen. Ich hoffe, es geht bald wieder los, obwohl ich denke, dass wir diese Saison nicht mehr zu Ende spielen werden.“
David Scholka ist im Stand-By-Modus: „Momentan fühlt es sich an wie eine längere Sommerpause. Jede Mannschaft beeinflusst dieser Virus momentan. Ob sich großartig fußballerisch was ändern wird, wird sich zeigen.“
Marius Hoffmann „fehlt es, ein Ziel vor Augen zu haben. Aktuell ist nicht gewiss, wann und ob es überhaupt weitergeht.“
Moritz Budde rechnet nicht mit der Fortführung der Saison, hofft jedoch auf eine Aufstiegsregelung: „Ich fände es logisch, wenn man die Hinrunde als Bewertungsgrundlage nutzen würde.“
Christian Mengert bringt es abschließend mit Blick auf die Konkurrenz auf den Punkt: „Ich gehe sportlich gesehen komplett erwartungs- und ergebnisoffen mit der Situation um. Komme was da wolle, wir müssen vorbereitet sein, auch, wenn die Saison abgebrochen wird oder andere Szenarien in Kraft treten, die uns nicht erlauben, nochmal ein Meisterschaftsspiel zu bestreiten. Vielmehr gehe ich davon aus, dass sich besonders unsere Verfolger fit machen werden, um ggf. ein Wörtchen um den Aufstieg mitreden zu können. Deshalb scheint es mir umso wichtiger, dass jeder von uns seine Hausaufgaben tatsächlich ernst nimmt und auch macht. Wie auch immer diese aussehen.“
Die Redaktion bedankt sich bei den Interviewpartnern. (FV/STV)